Associated Press Worldstream – German 22. November 2006 Mittwoch 11:16 AM GMT

Laut Bericht des Kantons Bern jeder zehnte Fall häuslicher Gewalt durch Frauen

Bei häuslicher Gewalt ist in mindestens jedem zehnten Fall der Mann das Opfer. Dies zeigt ein Bericht der Fachkommission für Gleichstellungsfragen des Kantons Bern. Die Experten wollen damit die Öffentlichkeit für dieses Tabuthema sensibilisieren.

»Wir wollen die Augen nicht vor Unangenehmem verschliessen«, sagte Kommissionspräsidentin Dori Schaer am Mittwoch vor den Medien. Deshalb habe die Kommission beschlossen, dieses Tabuthema aufzugreifen, auch wenn sie sich bewusst sei, dass es leicht missverstanden werden könne. Sie wolle aber auf keinen Fall die von Männern ausgehende Gewalt relativieren, die schwerer wiege als umgekehrt.

Der Bericht soll insbesondere bestehende Opfer- und Täterklischees aufbrechen. Verschiedene kantonale Polizeistatistiken zeigen nämlich laut den Verantwortlichen, dass auf neun Männer eine Frau kommt, die in der Partnerschaft gewalttätig wird. Gewalt durch Frauen konzentriere sich zudem nicht auf einen bestimmten Bevölkerungskreis, sondern geschehe quer durch alle Schichten. Weiter hält der Bericht fest, dass Mütter und Väter etwa zu gleichen Teilen Gewalt gegen Kinder ausüben. Ein besonderes Tabu stelle hier die sexuelle Gewalt dar. Der Anteil der Täterinnen liege gemäss verschiedenen Schätzungen bei neun bis zehn Prozent.

Die Kommission will mit ihrem Bericht »Wenn Frauen gewalttätig werden: Fakten kontra Mythen. Ausübung von häuslicher Gewalt ist nicht auf Männer beschränkt« insbesondere die Öffentlichkeit sensibilisieren. Zudem müssten Datenlücken geschlossen werden und Verbesserungen im Beratungsangebot geprüft werden. Auch sollen die zuständigen Fachleute entsprechend weitergebildet werden.

Erleichtert, dass »endlich ein solcher Bericht vorliege«, zeigte sich Andreas Jost von der Berner Fach- und Beratungsstelle »StoppMännerGewalt«. Bei Gesprächen mit seinen Klienten merke er immer wieder, dass gewalttätige Frauen aus Männersicht nicht ernst zu nehmen seien. Es gebe Männer, die lachen, wenn sie erzählen, dass ihre Partnerin sie im Schlaf mit einem Messer habe ermorden wollen.

Dementsprechend melden sich Männer, die Opfer von weiblicher Gewalt wurden, auch selten. Laut den Fachleuten braucht es hier ein Umdenken in der Gesellschaft. Claudia Fopp, Leiterin des Berner Interventionsprojekts gegen häusliche Gewalt, befürchtet sonst einen Teufelskreis: »Das Verleugnen des Opferseins fördert auch wieder die Täterschaft.«

Häusliche Gewalt ist auch Thema einer kantonalen Fachtagung am kommenden Freitag im Naturhistorischen Museum Bern. In verschiedenen Kantonen sind zudem am Samstag im Rahmen des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen Aktionen zum Thema geplant.

ap