Tages-Anzeiger vom 22. November 2006 

Häusliche Gewalt ist nicht auf Männer beschränkt. In mindestens zehn Prozent der
angezeigten Fälle sind Frauen die Täterinnen. Dies geht aus einem Bericht der
bernischen Gleichstellungskommission hervor.

Die bisherigen Forschungen zum Thema basierten fast ausnahmslos auf den tradierten
Rollenbildern: Mann als Täter, Frau als Opfer. Dass dies so nicht immer stimmt, belegen
Polizeistatistiken mehrerer Kantone (BE, SG, AR, ZH), auf die sich der Bericht stützt.

Es geht nicht ums Wallholz
Bisher werde über Gewalt von Frauen vorwiegend gewitzelt, wie sie ihren Pantoffelhelden
mit erhobenem Wallholz in Empfang nehmen. Dieses Bild sei nicht hilfreich. Männer
müssten vielmehr lernen, ihre Opfererfahrung zu akzeptieren und darüber zu sprechen,
fordert die Kommission. Dafür brauche es auch eine Bestandesaufnahme der Beratungsund
Hilfsangebote.
Neuere Untersuchungen zeigen laut Bericht, dass Väter und Mütter etwa zu gleichen
Teilen Gewalt gegen Kinder ausüben. Allerdings lasse sich das Ausmass von
Gewaltausübung durch Väter und Mütter nicht direkt vergleichen, solange nicht beide zu
gleichen Teilen Zeit und Verantwortung für ihre Kinder aufbrächten.

Ungleiche Rollenverteilung
Die kantonale Fachstelle für Gleichstellung schlägt in ihrem Bericht vor, die mit häuslicher
Gewalt konfrontierten Berufsgruppen für den Umgang mit männlichen Gewaltopfern und
weiblichen Täterinnen zu sensibilisieren. Beim Kinderschutz sei der Gewalt von Frauen
mehr Beachtung zu schenken.
Ursache dieser Gewalt sei vielfach eine Überforderung durch Kinder, die schreien, trotzen
oder hyperaktiv sind. Hier müsse der Zusammenhang zwischen ungleicher
Rollenverteilung und Gewalt in der Familie sichtbar gemacht und angegangen werden.
Zusätzliche Massnahmen dürften aber keinesfalls zu Lasten weiblicher Gewaltopfer
gehen, erklärt die Kommission. Diese Angebote dürften nicht gekürzt werden.