Nachdem das Bundesgericht kürzlich die Klage des Vaters mit unverständlicher Begründung abgewiesen hatte (Siehe hier) geht die traurige Geschichte nun in die nächste Runde.
Bericht Tele M1 vom 14.8.2010 und vom 16.8.2010 sowie 10 vor 10 vom 30. August 2010

Wenn Kinder unter Polizeiaufsicht der Mutter übergeben werden
(c) Tagesanzeiger vom 14.8.2010. Von Erika Burri.
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Zwei Buben wollten nicht mit der Mutter nach Tschechien, sondern beim Vater bleiben. Gestern wurde dieser verhaftet.

Es ging allen um die Kinder: der Mutter, dem Vater, den Richtern. Doch nun ist der Streit um die Obhut von Jan (4) und Martin (7) eskaliert. Gestern früh kamen vier Polizisten mit einem Durchsuchungsbefehl in die Wohnung von Vater Jürgen P. in Berikon und verhafteten ihn. Die Kinder fanden sie dort nicht. Sie übernachteten bei den Grosseltern.

Die Mutter hatte Jürgen P. angezeigt, weil er ihr die Kinder vorenthalte. Das ist ihre Sicht. Der Vater und dessen Anwältin Patrizia Jucker sehen das anders: «Die Kinder wollen nicht zur Mutter», sagt die Anwältin. Die Buben verbrachten die Sommerferien beim Vater, bevor sie in Tschechien ein neues Leben beginnen sollen, im Heimatland der Mutter. Im Juni hatten ihr die Bundesrichter nach einem langen Rechtsstreit die Obhut über die Kinder zugesprochen und das Urteil des Bezirksgerichts Bremgarten AG bestätigt. Nun will die 37-Jährige endlich gehen, zurück nach Tschechien. Dort dürfte der Vater die Buben jedes zweite Wochenende besuchen.

Als die Mutter aus der Wohnung auszog, nahm sie die Kinder mit. So oft es ging, sah der 44-jährige Informatiker seine Buben. «Sie hängen sehr an ihm», sagt eine Freundin der Familie, welche die Tschechin vor zehn Jahren mit dem Schweizer bekannt gemacht hatte.

Geweigert, die Kinder herzugeben

Der Vater verlangte seinerseits die Obhut über die Buben. Ein Umzug in ein fremdes Land sei nicht gut für die Kinder, argumentierte er. Damit kam er nicht durch. Später kämpfte er dafür, dass er nicht immer nach Tschechien reisen muss, um seine Kinder zu sehen, sondern dass die Mutter sie einmal pro Monat in die Schweiz bringt. Auch das wurde abgelehnt.

Als am Freitag vor einer Woche die Mutter nach Berikon in die frühere Familienwohnung kam, um die Kinder abzuholen, begleiteten sie die Beriker Gemeindeschreiberin Michelle Meier und zwei Polizisten. Auch Jürgen P.s Anwältin war da. «P. hat sich nicht geweigert, die Kinder herzugeben», sagt sie. Sie hat beobachtet, wie die Mutter, die mit ihren Kindern Tschechisch spricht, die Hand des Jüngeren fasste und mit ihm die Wohnung verlassen wollte. Der Vierjährige aber klammerte sich mit der anderen Hand am Bein des Vaters fest und schrie. Danach hätten sich die Gemeindeschreiberin und die Mutter kurz abgesprochen und seien ohne Kinder gegangen, sagt Jucker. Die Kinder könnten beim Vater bleiben, hiess es. Eine Woche hörte Jürgen P. nichts mehr von seiner Frau, die inzwischen die Scheidung eingereicht hat. Dann kamen gestern die Polizisten und verhafteten ihn.

Richter soll befangen sein

Nach dem Vorfall in der Wohnung wendete sich die Anwältin mit einem superprovisorischen Antrag an den Gerichtspräsidenten des Bezirksgerichts Bremgarten, Peter Thurnherr: Die Kinder sollen so lange in der Obhut des Vaters bleiben, bis fachmännisch abgeklärt ist, was ihnen zuzumuten ist. «Das Bundesgericht fand zwar, ein Umzug nach Tschechien würde das Kindswohl nicht beeinträchtigen. Aber es hat die neuen Tatsachen nicht berücksichtigt.» Seit letzten Sommer schon seien die Buben nicht mehr gern zur Mutter gegangen.

Thurnherr wies den Antrag ab. Laut Jucker soll er sich zudem am Telefon darüber ausgelassen haben, dass der Vater seine Kinder absichtlich zurückbehalte. Auch soll er eingeräumt haben, vor dem Rechtsspruch die Gegenpartei beraten zu haben. «Ein solcher Richter ist befangen», sagt die Anwältin und fordert nun, dass Thurnherr in Ausstand tritt und der Fall angesichts der neuen Tatsachen nochmals beurteilt wird.

Er will sich nicht äussern

Thurnherr will sich zu den Vorwürfen nicht äussern, sagt aber, dass solche Familiengeschichten immer schwierig zu entscheiden seien. Ihm sei es immer ums Kindswohl gegangen. Der Anwalt der Mutter nimmt nicht Stellung.

Während der Vater gestern in Haft sass, wurden die Kinder vor dem Gemeindehaus Berikon der Mutter übergeben – unter Aufsicht der Polizei.  

Kommentar des VeV

Einmal mehr beweisen Behördenmitglieder ihre Hilflosigkeit und letztlich auch Unfähigkeit, mit diesen SItuationen umzugehen. Statt auf die Reaktion der beiden Kinder zu achten und den Sachverhalt gründlich abzuklären ziehen es die handelnden Organe der Rechtspflege vor, Fakten zu schaffen. So wird der Vater sicherheitshalber verhaftet, damit er den weiteren Verlauf nciht beeinflussen kann. Danach werden die Kinder freundlicherweise auch noch gleich der Mutter übergeben. Auf dass diese ungehindert und verzögerungsfrei die Schweiz verlassen kann.

Auch in diesem Fall, wie in vielen anderen davor beweist das Vorgehen der Behörden einmal mehr, dass das vielgerühmte und oft zitierte Kindswohl eine blosse Farce ist, und lediglich als bequemer Aufhänger verwendet wird für die dahinter stehende Grundannahme, dass Kinder nun mal zur Mutter gehören, ob sie das wollen oder nicht.

In einem solchen Fall von "Kindswohl" zu sprechen, wie das der Bremgartner Richter tut, ist eine Verhöhnung der Tatsache, dass in diesem Fall das wahre Wohl der Kinder mit Füssen getreten wird und buchstäblich niemand auf ihre Befindlichkeit Rücksicht nimmt

Wann endlich werden unsere Richter und Behördenmitglieder bis hinauf zum Bundesgericht einsehen, dass Kinder beide Eltern brauchen und dass dieses Grundrecht eigentlich vom Rechtsstaat geschützt werden müsste. Oder steht das Recht der Mutter, ins Ausland zu reisen etwa gar über dem Recht der Kinder auf ihre bisherige Umgebung und die Nähe zum Vater und dem Rest der Familie? Ist die freie Wohnsitzwahl der Mutter höher zu bewerten als die Geborgenheit der Kinder in ihrer gewohnten Umgebung?

Was ist das für eine traurige Welt!

 

Brief an Richter Turnheer und die Gemeinde Berikon vom 15. August 2010