Von Denise Marquard / Tagesanzeiger vom 15. Oktober 2009
Ohne die Mutter geht auf Zürcher Ämtern gar nichts, wenn die Kinder neue Papiere brauchen.
Barbara Meier* und Bruno Müller* haben zusammen zwei Kinder. Sie sind unverheiratet, leben im Konkubinat und haben das gemeinsame Sorgerecht. Bruno Müller wollte kürzlich auf dem Kreisbüro 7 eine neue Identitätskarte (ID) für seinen Sohn beantragen. Obwohl er die alten Papiere seines Sohnes, die eigene ID und neue Passfotos dabeihatte, liess ihn das Amt abblitzen. Ohne die Vollmacht der Mutter habe er keine Chance, eine Identitätskarte für den Sohn zu erhalten, wurde dem verdutzten Vater beschieden.
Darauf schickte die Mutter einen geharnischten Brief an Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP). «Das gemeinsame Sorgerecht ist eine Farce», schrieb Barbara Meier – und fand: «Wenn das Dokument nichts nützt, sehe ich darin auch keinen Sinn. Zudem diskriminiert es meinen Lebenspartner. Er hat zwar ganz viele Pflichten, aber keine Rechte.» Die Antwort der Stadtpräsidentin steht noch aus.
Sorgerecht automatisch an die Mutter
Das Problem ist kein Einzelfall. Nicht nur unverheiratete Väter sind davon betroffen, sondern auch geschiedene. Allein in Zürich hat sich innert fünf Jahren die Zahl der Eltern verdreifacht, die sich das Sorgerecht teilen: von 201 (2003) auf 634 im letzten Jahr. Tendenz steigend. Davor gab es noch gar kein gemeinsames Sorgerecht. Die elterliche Sorge fiel damals automatisch an die Mutter.
Warum aber hat Bruno Müller auf dem Kreisbüro keine ID für seinen Sohn erhalten? Franz Behrens, Leiter des Personalmeldeamtes der Stadt Zürich, sagt: «Wir müssen die Suppe auslöffeln, die uns andere eingebrockt haben.» Weil das Sorgerecht nicht im Computersystem registriert sei, habe das Kreisbüro aus Gründen des Datenschutzes gar nicht anders handeln können, als eine Vollmacht der Mutter zu verlangen. Es bestehe diesbezüglich nämlich nach wie vor eine gesetzliche Lücke.
Das bestätigt auch Marcel Studer, Datenschutzbeauftragter der Stadt Zürich. Er kennt ähnliche Vorfälle. «Auf Bundesebene ist die Rechtsgrundlage unvollständig», sagt er und verweist auf die eidgenössische Zivilstandsverordnung. Diese schreibt für die ganze Schweiz vor, welche Ereignisse den Zivilstandsämtern gemeldet und von diesen beurkundet werden müssen. Das gemeinsame Sorgerecht gehört nicht dazu. Das hat Folgen für die Praxis: Die Zivilstandsämter müssen zwar den Vormundschaftsbehörden die Geburt eines Kindes unverheirateter Eltern melden. Umgekehrt besteht aber für die Vormundschaftsbehörde keinerlei Meldepflicht. Sie melden dem Zivilstandsamt nicht, wenn sich unverheiratet oder geschiedene Eltern das Sorgerecht teilen.
Unbürokratische Lösung
Das soll sich ändern. Auf Druck des Parlaments will Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) die Ungleichbehandlung aus der Welt schaffen. Laut Felix Schöbi, der im Justizdepartement für das Zivilrecht zuständig ist, plant der Bund eine Gesetzesänderung. Sie lässt das gemeinsame Sorgerecht bei unverheirateten und geschiedenen Eltern zum Normalfall werden. Schöbi: «Erst dann würde sich das Problem der Legitimierung unverheirateter oder geschiedener Väter erübrigen.»
Schöbi gibt zudem den Zürcher Ämtern einen Tipp, wie sie bis dahin solche Fälle unbürokratisch lösen können. «Die Kreisbüros könnten bereits heute den betroffenen Vätern mit Sorgerecht die ID aushändigen, wenn diese die Vereinbarung mit der Vormundschaftsbehörde vorweisen können.»