Obersee-Nachrichten vom 5. Juni 2008
Im neuen Dachverband für Gemeinsame Elternschaft wehren sich Väter für das gemeinsame Sorgerecht
GeCoBi steht für die neu gegründete Schweizerische Vereinigung für Gemeinsame Elternschaft. Ein Vater, der seit Jahren um das gemeinsame
Sorgerecht seiner Kinder kämpft (die ON berichteten), hofft auf eine baldige gesetzliche Gleichstellung von Mutter und Vater.
Vor vier Jahren haben die ON über den Kampf von Stephan Lichtin (43) aus Tann um das gemeinsame Sorgerecht seiner zwei Kinder (heute 11 und 10 Jahre) berichtet. Lichtin hatte persönlich und beruflich alles unternommen, um dem Gericht als guter Vater «genehm » zu sein. Als selbstständigerwerbender Treuhänder und Informatiker hatte er seine Arbeit auf 60 Prozent reduziert, nur um genügend Zeit für die Kinderbetreuung zu haben. Das Bezirksgericht Bülach hat sich 2001 denn auch mutig für die gemeinsame elterliche Sorge ausgesprochen
und bestimmt, dass die Kinder durchschnittlich drei Tage in der Woche bei Lichtin wohnen dürfen. Die Mutter wurde dazu verpflichtet, 2000 Franken
im Monat zum Unterhalt dazuzuverdienen. Doch es benötigte eine einzige Beschwerde und das Zürcher Obergericht und alles wurde wieder umgestossen. Es beschied, dass die Mutter zu Hause bleiben und sich voll den Kindern widmen soll. «Die Differenz für den Unterhalt zahlte dann das Fürsorgeamt der Stadt Zürich», weiss Lichtin. Ein Aktenberg, und nichts erreicht «Warum sind Mütter gegenüber den Vätern so bevorzugt?» Lichtins Frage richtet sich nicht nur an die Gesellschaft, sondern vielmehr an den Gesetzgeber. Die gegenwärtige schweizerische Praxis besteht darin, bei einer Trennung die Kinder nur einem der beiden Eltern in Obhut zu geben. Damit wird der andere Elternteil – in der Regel der Vater, manchmal auch die Mutter – der elterlichen Sorge beraubt. Die gemeinsame Sorge aber ist in der Schweiz noch immer nur auf Antrag beider Elternteile
möglich. «Doch wenn sich die Kindsmutter querlegt, hat der Vater meist nichts auszurichten», beklagt der gebeutelte Papi die Praxis. Er muss es wissen, denn der Aktenberg, der seinen siebenjährigen Scheidungskampf «Lichtin versus Lichtin» belegt – mit Entscheiden, Behauptungen, Vorwürfen und Ängsten – hat mittlerweile eine beachtliche Höhe angenommen. Umsonst, das Ergebnis der Scheidung ist für Lichtin
höchst ernüchternd: «Das Einrichten der gemeinsamen elterlichen Sorge ist an der Sturheit der Kindsmutter gescheitert.
Trotz vielen Versuchen liess sie sich nicht zu einer Mediation und damit einer gemeinsamen Lösung erweichen. » Für Lichtin ist das Stossendste
daran, dass die Ex-Frau für diese Verweigerung von der Justiz «noch belohnt wird», wie er sich ausdrückt. Nicht auf dem Buckel der Kinder
Stephan Lichtin versichert, er sei ein guter Vater und habe den Kampf solidarisch mit vielen anderen betroffenen Vätern geführt, um in der Schweiz endlich einen grundlegenden Wandel in der Gerichtskultur und -praxis herbeizuführen. «Ich hätte allen diesen Konfrontationen
– mit der Ex-Frau, den Anwälten, den Gerichten, Kinderbeistand und Polizei – aus dem Weg gehen und mir ein bequemes Leben machen können.
Aber das konnte ich nicht. Ich liebe meine Kinder, will sie aufwachsen sehen und die Erziehungsverantwortung mittragen können.»
Um dies zu bekräftigen, ist Stephan Lichtin 2005 von Tann nach Zürich gezogen, um näher bei den Kindern zu sein. Er wohnt heute im selben Quartier, nur einen Block weiter als die Kindsmutter. Für die Kinder sei das optimal, sagt er. «Sie haben zwei vertraute Zuhause und trotzdem nur ein soziales Umfeld.» Die Kinder können sich unbeschwert mit ihren Freunden treffen, ihrem Sport und Musikunterricht nachgehen und dies, ohne stets überlegen zu müssen, ob sie nun beim Vater oder bei der Mutter zu Hause sind. Das sei es auch, was er unter «echt gelebter gemeinsamer
elterlicher Sorge» verstehe. Niemals dürften Streitereien auf dem Buckel der Kinder ausgetragen werden, ist er überzeugt. Mit Solidarität geht es voran Diese Forderung strebt auch die Schweizerische Vereinigung für gemeinsame Elternschaft (GeCoBi) an:
Wenn sich die Eltern nicht einig sind, sollen beide die Verantwortung von je 50 Prozent der Betreuungs- und Erziehungsarbeit übernehmen. Das sei dann die Ausgangslage für die Verhandlung, wenn der eine Elternteil diesen 50-Prozent- Job nicht annehmen wolle oder könne. Um diese und weitere Gesetzesänderungen durchzudrücken, haben sich am 17. Mai 13 der wichtigsten Väter- und Kinderrechtsorganisationen aus der ganzen Schweiz auf dem Bundesplatz Bern zu einer Kundgebung und zur Gründung ihres Dachverbands www.GeCoBi.ch versammelt. Mit konstruktiven
Vorschlägen möchte man(n) im Besonderen den heute allzu häufigen Rosenkriegen bei einer Trennung ein Ende setzen. Ein wichtiger Punkt dabei:
Betroffene Eltern sollen erst vor Gericht zugelassen werden, wenn sie sich ernsthaft um eine gütliche Einigung bemüht haben. Dafür brauche es gleich lange Spiesse für Väter und Mütter. Stephan Lichtin: «Während sich diese elementaren Grundsätze in weiten Teilen Europas schon lange durchgesetzt haben, tut sich die Scheidungsindustrie in der Schweiz noch immer sehr schwer damit.»
Verena Schoder