VeV-Präsident Oliver Hunziker zieht Bilanz und schaut nach vorne.

Gedanken zum neuen Jahr
Oliver Hunziker, Präsident VeV Schweiz

Ein neues Jahr hat begonnen.

Was war ist vorbei, was noch kommt, wissen wir nicht.
Zeit also, um kurz inne zu halten und zurück und nach vorne zu schauen.

Das Jahr 2017 brachte uns das neue Unterhaltsrecht. Lange hinausgeschoben, trat es am 1.1. in Kraft. Heute, ein Jahr später ist die Unklarheit noch immer genau gleich gross. Richter, Anwälte, Fachleute sind sich absolut uneins, wie denn nun das neue Gesetz angewendet werden soll. Dies führt zu grosser Rechtsunsicherheit, weil es aktuell sehr darauf ankommt, wo ein Urteil gesprochen wird, respektive von wem. Es ist mehr als dringend erforderlich, dass hier endlich ein paar Leiturteile kommen, damit wieder Klarheit herrscht.

Mit dem neuen Unterhaltsrecht kam auch die alternierende Obhut als Möglichkeit ins Spiel. Dies ist sehr zu begrüssen, allerdings muss nach dem ersten Jahr eine ernüchternde Bilanz gezogen werden. Zwar gibt es auch hier durchaus progressive Instanzen und Behörden, für die eine Prüfung der Situation selbstverständlich ist. Leider sind aber auch die Dinosaurier noch nicht ausgestorben, welche dieses Modell nach wie vor mit mehrheitlich unhaltbaren Argumenten bekämpfen.

Gerade vor wenigen Wochen wurde eine Genfer Studie bekannt, in welcher das Modell der alternierenden Obhut als nahezu untauglich bezeichnet wurde. Im gleichen Atemzug wurden auch alle befürwortenden Experten aus aller Welt als Träumer und Fantasten abgetan, wohingegen die zitierten kritischen Experten selbstverständlich die reine Wahrheit erzählen.

Zum Glück hat der Bundesrat die Ansichten der von ihm in Auftrag gegebene Studie nur teilweise übernommen und nochmals seine befürwortende Haltung zur alternierenden Obhut bekräftigt.

Die Frage dreht sich dabei gar nicht um das Modell an sich, sondern vielmehr darum, ob ein solches Modell auch bei Differenzen zwischen den Eltern möglich sei.

Dabei wird gerne gesagt, dass streitende Eltern kein solches Modell leben könnten.
Dass dies so absolut nicht stimmt, kann vielerorts nachgelesen werden.
Hingegen ist sicherlich unbestritten, dass mit obiger Aussage als Grundlage ein simpler kleiner Streit genügen kann, um ein solches Modell zu Fall zu bringen. Mit anderen Worten, wer keine alternierende Obhut möchte, braucht bloss ein wenig zu streiten. Leider wollen unsere zuständigen Behörden diesen Effekt häufig einfach nicht sehen. Und so kommt es, dass derjenige Elternteil obsiegt, der selbstsüchtig das Kind als Eigentum betrachtet und nicht teilen will.

Die alternierende Obhut ist eine innerliche Grundhaltung, nicht etwa ein künstliches Modell. Wer überzeugt ist, dass ein Kind beide Eltern braucht, kommt nicht umhin, dieses Betreuungsmodell im Falle von Trennung oder Scheidung zu favorisieren. Nur wer glaubt, der bessere Elternteil zu sein, wird sich dagegen wehren.

Wohlgemerkt – es gibt sicherlich Situationen, wo es angebrachter sein kann, das Kind nur einem Elternteil zu übergeben. Diese Fälle sind aber die Ausnahme, nicht etwa die Regel. Tatsächlich ist aber in der Schweiz die alternierende Obhut heute die Ausnahme, nicht die Regel. Etwas läuft also offenbar verkehrt.

Ich fordere unsere zuständigen Institutionen auf, sich genauer mit diesen Themen zu befassen. Die Behörden hätten in vielen Fällen die Möglichkeit und auch die Macht, Situationen positiv zu beeinflussen. Die allermeisten Menschen befinden sich zum ersten Mal in einer Situation von Trennung/Scheidung mit Kindern. Sie wären durchaus offen für konstruktive Lösungsansätze, wenn man sie ihnen nur nahebringen würde. Stattdessen werden immer noch viel zu viele Familien auf eine Reise durch den Konflikt geschickt, sei es durch hitzige Anwälte, durch uninteressierte Fachstellen oder auch durch angeblich wohlmeinende Kolleginnen oder Kollegen.

Zu Beginn eines Konfliktes wäre es also durchaus möglich, lenkend einzugreifen. Nicht erst dann, wenn die Situation hoffnungslos verfahren ist, sondern so früh wie möglich. In diesen Momenten könnten Behörden, Fachleute, Berater etc. durchaus noch Einfluss nehmen und die Eltern von einer möglichst friedlichen Beilegung des Konfliktes überzeugen.

Aus diesem Grund haben wir im 2017 die Weiterbildung zum Trennungsberater wieder aufleben lassen. GeCoBi Trennungsberater sind spezifisch darauf geschult, Trennungskonflikte möglichst konstruktiv zu lösen und den Eltern und insbesondere den Kindern eine gute Ausgangslage für das künftige Familienkonstrukt an zwei Standorten zu bieten.

Doch schauen wir noch ein wenig nach vorne.

Nach dem abgelaufenen Jubiläumsjahr des VeV Schweiz (25 Jahre) folgt unmittelbar darauf im 2018 der 10. Geburtstag des Dachverbandes GeCoBi.

Diesen werden wir gebührend feiern, Details dazu folgen demnächst.

Auch 2018 wird die Weiterbildung wieder stattfinden, geplant ist sie im Mai.

Politisch und gesellschaftlich bleiben wir natürlich dran – unsere Aufgabe ist noch lange nicht beendet.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Allen ein frohes 2018.

Allen Kindern beide Eltern!
VeV Schweiz – Verein für elterliche Verantwortung
Oliver Hunziker
Präsident

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