(c) Landbote 27.5.2011. Von Karin Landolt
Der Bundesrat hat entschieden, die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall schneller voranzutreiben als geplant. Für Männerorganisationen ist das «der Anfang einer neuen Geschlechterdiskussion».

Noch im Januar wollte Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) die Gesetzesänderung, welche die Eltern bei einer Scheidung grundsätzlich auf gleiche Ebene gestellt hätte, mit der dringend nötigen Neuregelung der Familienunterhaltszahlungen verknüpfen. Dies hatten vor allem Frauenorganisationen gefordert, weil eine Scheidung insbesondere für die Mütter eine Armutsfalle darstellt. Diese Verknüpfung wiederum empörte die von Scheidungsvätern initiierte Vereinigung für gemeinsame Elternschaft (Gecobi), die sich für eine gute Eltern-Kind-Beziehung auch nach einer Trennung oder Scheidung einsetzt. «Wir anerkennen, dass es bei den Unterhaltszahlungen Verbesserungen braucht», sagt ihr Präsident Oliver Hunziker, der bereits seit sieben Jahren aktiv für die gemeinsame Sorge als Regelfall kämpft. «Aber dieses Thema hätte die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts wohl um weitere Jahre verzögert.»

Gecobi und mit ihr die Männerorganisationen fanden Gehör. Sommaruga berief noch im April einen runden Tisch ein, um die Stimmen aller Interessengruppen anzuhören. Und nun also sollen die beiden Vorlagen entkoppelt werden, die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts ist auf der Zielgeraden.

Unterhaltszahlungen offen
Dass sich ausgerechnet ein Bundesrat mit einer Frauenmehrheit dem Männeranliegen angenommen und entsprechend gehandelt hat, lässt Hunziker kühl. «Ich erwarte, dass der Bundesrat Schweizer und nicht Geschlechterpolitik macht und darum ganz sachlich handelt. Die Geschlechterverteilung sollte da keine Rolle spielen, und so ist es nun auch gekommen.» Die gemeinsame elterliche Sorge sei zu Ende diskutiert worden, alle seien sich einig, so Hunziker. Hingegen sei der Bereich der Unterhaltszahlungen noch kaum andiskutiert. «Es wäre ein fatales Zeichen gewesen für Scheidungsväter, aber auch im Sinne der Gleichstellung von Mann und Frau, wenn der Sorgerechtsentscheid zur Seite geschoben worden wäre.»

Bei den Unterhaltszahlungen, unter deren Regelung meist die Mutter zu leiden habe, wollten die Männerorganisationen selbstverständlich Hand bieten. Doch könne es nicht einfach darum gehen, dass die geschiedenen Väter zusätzlich geschröpft, sondern, dass die Lasten gerecht verteilt würden. So wie Hunziker sich im Scheidungsrecht vorstellt, dass Eltern grundsätzlich zu 50 Prozent für die Betreuung zuständig sind, so soll auch der finanzielle Unterhalt geregelt werden. «Und wer mehr betreut, bekommt dafür vom anderen Elternteil mehr Unterhalt.» Für ihn ist der Erfolg bezüglich des gemeinsamen Sorgerechts denn auch «nur der Anfang einer Palette von Änderungen in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter».

Diese Haltung von Gleichstellung bedeutet also nicht mehr nur, dass Frauen in ihren Rechten und Chancen gleichgestellt, sondern auch bezüglich finanziellem Familienunterhalt in die Verantwortung gezogen werden. Ganz nach der Haltung der jungen SP-Frauengeneration, die kürzlich ihre Absicht bekundete, die «veraltete Haltung der älteren SP-Frauengeneration» zu kippen, die stets «Frauen als Opfer und Männer als Täter sahen». Frauen und Männer sollten die Geschlechterfragen gemeinsam anpacken, forderten auch sie.

«Natürlich sollten Frauen und Männer zusammen die Zukunft gestalten», sagt Jacqueline Fehr, die als etablierte Schweizer Politikerin von der nachwachsenden SP- und Juso-Frauengeneration bereits zum alten Eisen gezählt wird. Nicht zuletzt deshalb, weil sie die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall lange bekämpfte und der Gesetzesänderung noch heute skeptisch gegenübersteht. Dennoch scheint sie der jüngeren Generation nicht im Weg stehen zu wollen wenn sie – wie kürzlich an einem Podium – sagt: «Es ist gut, wenn die jungen Frauen sich nicht mehr als Opfer sehen und zusammen mit den jungen Männern das Geschlechterverhältnis und die Partnerschaftspolitik neu definieren wollen.» Sie sei jedenfalls «happy», wenn der Tag komme, an dem die SP ihre einst für den Gleichstellungskampf einberufene Frauensektion abschaffe, weil diese nicht mehr gebraucht werde.