(c) NZZ 6. März 2011. Katharina Bracher.
Überparteiliche Koalition macht Druck für Einführung des gemeinsamen Sorgerechts
Bundesrätin Simonetta Sommaruga droht erneut Ungemach aus dem Männerlager. Nachdem sie Mitte Januar den Rückzug der Vorlage für das gemeinsame Sorgerecht angekündigt hatte, protestierten die Männerverbände mit einer Mahnwache auf dem Bundesplatz und 4,5 Tonnen Pflastersteinen, die sie der Justizministerin per Post schickten. Nun erhalten sie Rückendeckung aus dem eidgenössischen Parlament. CVP-Nationalrat Reto Wehrli hat eine parlamentarische Initiative lanciert, welche die Verankerung der «gemeinsamen elterlichen Sorge als Regelfall» im Gesetz verlangt. «Simonetta Sommaruga hat eine gut ausgearbeitete Gesetzesvorlage, die sie nur aus der Schublade ziehen müsste», sagt Reto Wehrli. Dass Sommaruga die Gesetzesrevision nun gestoppt habe, zeuge nicht von Fingerspitzengefühl. Die Verzögerung sei inakzeptabel, denn ein Grossteil des Parlaments habe schon früher seiner Forderung zugestimmt, dass künftig beide Eltern nach der Trennung die Verantwortung für die Kinder übernehmen sollen.
Es war Wehrlis Postulat, das vor fast sechs Jahren den Stein ins Rollen gebracht hatte. Der Nationalrat hatte im Jahr 2005 mit 144 Ja- zu 36 Nein-Stimmen für seinen Vorstoss und damit für die gemeinsame elterliche Sorge gestimmt. «Die gesellschaftliche Akzeptanz für das gemeinsame Sorgerecht ist heute gegeben», folgert Wehrli. Der Schwyzer Nationalrat wähnt auch heute die Mehrheit des Parlaments auf seiner Seite. Die parlamentarische Initiative wird laut Wehrli von Ratsmitgliedern aller politischen Lager getragen. Zusätzliche Unterstützung hat der grüne Nationalrat Alec von Graffenried zugesichert. «Ich werde nach der Session in der Rechtskommission eine Initiative mit derselben Forderung anregen», sagt von Graffenried. Er zeigt sich zuversichtlich, auch viele Frauen für das Anliegen gewinnen zu können.
Mit diesen beiden Vorstössen aus dem Parlament nimmt der Druck auf die Justizministerin weiter zu. Die Vernehmlassung der Vorlage geschah hauptsächlich in der Amtszeit von Sommarugas Vorgängerin Eveline Widmer-Schlumpf. Die neue Departementsleiterin hat die Vorlage im Januar zurückgezogen mit der Begründung, zusätzlich zur elterlichen Sorge auch Fragen des Unterhalts zu klären. Die Situation desjenigen Elternteils, der trotz gemeinsamer Sorge das Kind hauptsächlich betreue, sei verbesserungswürdig, beschied Sommaruga. Nach geltendem Recht muss die betreuende Person für den Fehlbetrag aufkommen, falls das Einkommen nicht für zwei Haushalte reicht. Für diese Finanzierungslücke kommen heute vor allem die Frauen auf.
Dieser Verknüpfung des gemeinsamen Sorgerechts mit unterhaltsrechtlichen Fragen können auch die Väter-Organisationen nichts abgewinnen und erhöhen ihrerseits den Druck auf die Justizministerin. «Wir halten monatlich Mahnwache, bis eine nachhaltige Lösung in Sicht ist», sagt Markus Theunert vom Männer-Dachverband männer.ch. Die nächste Väter-Mahnwache auf dem Bundesplatz wird am Montag, den 14. März stattfinden.