(c) Tagesanzeiger vom 11. Mai 2010. Von Denise Jeitziner

Thomas Borer hat den Sorgerechtsstreit um seine Kinder gewonnen. Dass Vätern dies gelingt, ist aussergewöhnlich. Was gab den Ausschlag?

Es muss ein harter Schlag für Shawne Borer-Fielding gewesen sein. Das Bezirksgericht Horgen hat entschieden, dass nicht sie das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder Ruby und Roman zugesprochen bekommt, sondern ihr Mann Thomas Borer. Für Familienrechtler ist dieser Entscheid überraschend. «Väter bekommen das Sorgerecht meist nur, wenn der Mutter schwere Fehler vorgehalten werden können. Die müssen aber massiv sein», betont Kathrin Thomann, Zürcher Fachanwältin für Familienrecht. «Wenn der Vater eine gewisse Prominenz hat, wie Herr Borer, ist dies vermutlich auch ein Vorteil.»

Aussergewöhnlicher Fall

Seit zehn Jahren vertritt Thomann, deren Hauptgeschäft Scheidungen sind, sehr häufig Männer. «In dieser Zeit habe ich in strittigen Fällen nur für vier Männer das Sorgerecht erwirken können.» Warum genau das Gericht für Thomas Borer entschieden hat, ist unklar. Das Bezirksgericht Horgen will sich nicht äussern, da familien rechtliche Fälle grundsätzlich nicht öffentlich seien. Dass jedoch ausgerechnet Horgen zugunsten eines Vaters entschieden hat, überrascht Kathrin Thomann sehr: «Ich halte sehr viel vom Bezirksgericht Horgen, aber es ist nicht als wahnsinnig fortschrittliches Gericht bekannt.»

Die Schweizer Rechtslage dagegen ist eindeutig: Können sich die Eltern nicht auf ein gemeinsames Sorgerecht einigen, spricht das Gericht demjenigen Elternteil das Sorgerecht zu, der das Kindeswohl besser wahren kann. Seit der Revision des Scheidungsrechtes sind Vater und Mutter dabei grundsätzlich gleichgestellt. Das ist die Theorie. Die Praxis zeigt jedoch ein anderes Bild. In den allermeisten Fällen gehen die Väter leer aus, die Mutter erhalten mehr oder weniger automatisch das Sorgerecht. Kathrin Thomann spricht von einer «Betriebsblindheit» der Gerichte und der Guthaber, die nicht zeitgemäss sei.

Auslandsreisen von Shawne Borer-Fielding ausschlaggebend?

Was ist geschehen? Was war so gravierend, dass Shawne Borer-Fielding das Sorgerecht nicht zugesprochen wurde? Gemäss «Sonntag» soll eines der Argumente von Borers Anwalt die häufigen Auslandsreisen von Shawne Borer-Fielding gewesen sein. Reicht das? «Ja. Wenn ein Elternteil nachweislich sehr viel unterwegs ist, kann es sein, dass man demjenigen Elternteil das Sorgerecht zuspricht, der mehr Konstanz bietet», so Kathrin Thomann. Theoretisch werde demjenigen Elternteil das Sorgerecht zugeteilt, der das Kind besser in eigener Person betreuen könne. Das sei besonders bei kleinen Kindern wichtig.

Doch auch Thomas Borer, der als Unternehmer in Europa und den USA tätig ist und im Verwaltungsrat mehrerer Firmen sitzt, dürfte sich kaum rund um die Uhr um die Kinder kümmern können. Möglich, dass er ein Kindermädchen für Ruby und Roman eingestellt hat. «Die persönliche Betreuung ist ausschlaggebend. Wenn das Kind allerdings konstant von derselben Person fremdbetreut wird , ist dies natürlich besser, als wenn es unregelmässig von einem Elternteil betreut wird.»

Kryptischer Blogeintrag

In einem kryptischen Blogeintrag von gestern Montag hat Shawne Borer-Fielding die biblische Geschichte von Salomon auf ihrer Website gepostet. Die erzählt von zwei Dirnen, die um ein Kind streiten. Beide behaupten, die Mutter des Kindes zu sein. Keine will nachgeben, bis der weise Solomon vorschlägt, das Kind zu zerteilen, damit beide etwas davon hätten. «Nein!», fleht die eine Dirne. «Zerteil es!», die andere. Dann ist für Solomon klar, welche die wahre Mutter ist. Will Shawne Borer-Fielding damit sagen, dass sie zum Wohl der Kinder auf das Sorgerecht verzichtet hat? Für eine Stellungnahme war sie nicht zu erreichen.

Grundsätzlich hätte Shawne Borer-Fielding die Möglichkeit, das Urteil des Bezirksgerichtes ans Obergericht und wenn nötig ans Bundesgericht weiterzuziehen. Tut sie dies nicht, ist das Urteil nahezu unumstö sslich. «Es ist sehr schwierig, die Sorgerechtsaufteilung nachträglich zu ändern», gibt Thomann zu bedenken. «Man muss wesentlich und dauerhaft veränderte Verhältnisse geltend machen oder eine massive Gefährdung des Kindes.»

Zukunftsweisender Entscheid

Für Shawne Borer-Fielding dürfte es bitter sein, dass Horgen ausgerechnet in ihrem Fall fortschrittlich entschieden hat. Für die Gerichtspraxis könnte der Fall Borer laut der Fachanwältin für Familienrecht ein positives Zeichen setzen: «Wenn ich ehrlich bin, freut es mich sehr, dass im Fall Borer zugunsten eines Vater entschieden wurde. Es wäre schön, wenn das Urteil zukunftsweisend wäre 

Kommentar des VeV

Das aktuelle Urteil des Bezirksgerichts Horgen überrascht und lässt aufhorchen.

Zunächst ist es natürlich sehr erfreulich, dass das Gericht grundsätzlich bereit ist, das Sorgerecht auch einmal dem Vater zu geben. Dies, obwohl auch Thomas Borer nicht als Hausmann bekannt ist und sicherlich auch auf Fremdbetreuung angewiesen ist.

Dann aber ist es auch wiederum eigentlich bedauerlich. Obwohl das Gericht gezeigt hat, dass es bereit ist, geschlechterunabhängig zu entscheiden, stellt sich dennoch die Frage, warum denn in diesem Fall das Sorgerecht überhaupt zugeteilt werden musste. Sollten tatsächlich die Auslandsreisen der einzige Grund gewesen sein, so ist absolut nicht einzusehen, weshalb die beiden Eltern nicht das gemeinsame Sorgerecht haben konnten.

Wir sollten nicht in den Fehler verfallen, nun zu jubilieren weil hier der Vater "gewonnen" hat. Denken wir dran, dass auch in diesem Fall wieder die Kinder verloren haben, diesmal einfach umgekehrt.

Es ist dringend Zeit, dass das Gesetz das gemeisname Sorgerecht einführt, auch und gerade für Eltern, die vorübergehend nicht in der Lage sind, sich zu einem gemeinsamen Antrag durch zu ringen.

Insofern ist das Urteil von Horgen ein Erfolg da es zeigt, dass langsam modernere Denkweisen Einzug halten, aber ein Misserfolg für die gemeinsame Elternschaft und so oder so ein grosser Verlust für die beiden Kindern.

Es bleibt den Kindern zu wünschen, dass ihr Vater verantwortungsvoll handelt und den Kindern den Zugang zu ihrer Mutter ungehindert gewährt.

Thomas Borer als Botschafter könnte hier zum Botschafter für die Sache der gemeinsamen Elternschaft werden.