SP Nationalrätin Silvia Schenker hat auf der Website der SP Schweiz nachstehenden Text zum gemeinsamen Sorgerecht veröffentlicht.
Lesen Sie den Artikel und den Kommentar des VeV dazu hier.
Gemeinsam Sorgen – Silvia Schenker, SP-Nationalrätin Basel StadtEs ist jedem Kind zu wünschen und zu gönnen, dass es mit beiden Elternteilen in regelmässigem Kontakt sein und den Alltag teilen kann. Dies sollte möglich sein, unabhängig vom Zivilstand der Eltern und unabhängig davon, wie Vater und Mutter zu einander stehen. Dieses Ideal anzustreben, muss das Anliegen aller sein. Die Realität ist eine andere. Nicht nur aufgrund von Scheidungen, sondern auch aus anderen Gründen wachsen viele Kinder bei einem Elternteil auf und sehen den andern Elternteil mehr oder weniger regelmässig bis selten. Nun soll eine neue gesetzliche Bestimmung das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall einführen. Dieser Vorschlag wird sehr kontrovers diskutiert. Befürworterinnen und Befürworter sind davon überzeugt, auf diesem Weg einen Schritt in Richtung geteilte Verantwortung für beide Elternteile auch nach einer Scheidung zu machen. Andere fürchten, mit dem gemeinsamen Sorgerecht als Regelfall Kinder zum Spielball streitender Elternteile zu machen, ohne jedoch an der ungleich verteilten Last der Verantwortung für die Betreuung etwas zu ändern. Für mich steht das Wohl des Kindes im Vordergrund, wenn ich die Vorschläge des Bundesrats für eine neue Gesetzesbestimmung beurteile. Die Rahmenbedingungen müssen so ausgestaltet werden, dass diesem Anliegen in einem möglichst hohen Mass Rechnung getragen wird. Trotzdem müssen wir uns im gesetzgeberischen Prozess vor Wunschdenken hüten: Das gemeinsame Sorgerecht ist nur dann gut und sinnvoll, wenn die Eltern in der Lage sind, im Alltag diese gemeinsame Sorge effektiv wahrzunehmen, ohne ständig um jede Entscheidung miteinander ringen zu müssen. Gemeinsame Sorge bedingt auch gemeinsames oder abwechslungsweises Sorgen und Betreuen. Die Verteilung von Rechten und Pflichten muss im Gleichgewicht sein. Die Eltern müssen in der Lage sein, glaubhaft darzulegen, dass sie das Sorgerecht in diesem Sinn ausgestalten und leben wollen. Sollte das Gericht zur Einschätzung kommen, dies sei nicht möglich, muss auch in Zukunft die Möglichkeit des alleinigen Sorgerechts bestehen. Denn wer seinen Pflichten nicht nachkommt, kann nicht einseitig Rechte geltend machen. Wenn ein Elternteil das gemeinsame Sorgerecht anstrebt, sollte es jedoch nicht allein in der Macht des andern Elternteils liegen, dieses abzulehnen. Für solche Fälle müsste eine geeignete Stelle mit der Vermittlung zwischen den Elternteilen betraut werden und versuchen, die Grundlage für das gemeinsame Sorgerecht zu erarbeiten. Die Elternschaft nach einer (konflikthaften) Trennung gemeinsam auszuüben ist nicht einfach. Im Interesse der Kinder sollten möglichst viele Paare diese schwierige Aufgabe anpacken. Zum Wohle ihrer Kinder und zu ihrem eigenen Wohl. |
Kommentar des VeVDer VeV setzt sich seit Jahren für die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts als Regelfall ein. Umso mehr freut es uns, von Seiten der SP immer mehr konstruktive Vorschläge und auch Kritik zu hören. Sowohl der prüfenswerte Vorschlag der Elternvereinbarung wie auch der vorliegende Text zeigen, dass auch die SP die Zeichen der Zeit erkannt hat und bereit ist, den Weg zur gemeinsamen elterlichen Verantwortung politisch zu beschreiten. Die von Frau Schenker vorgebrachten Befürchtungen waren lange Zeit der Grund für eine vehemente Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge überhaupt. Hier hat offenbar eine Richtungswende stattgefunden die sehr zu begrüssen ist. Selbstverständlich sind diese Befürchtungen ernst zu nehmen und auch von unserer Seite her durchaus nachvollziehbar. Über allen Entscheidungen muss immer das Interesse des Kindes im Vordergrund stehen, denn nur mit diesem Fokus können dauerhaft gute Lösungen gefunden werden. Dabei darf aber auch nicht vergessen werden, dass sich die Gegebenheiten auch über die Jahre verändern können. Was also zum Zeitpunkt des Entscheides im besten Interesse des Kindes war, muss es einige Jahre später nicht mehr unbedingt sein. Flexible Lösungen sind hier gefragt – die Beibehaltung der elterlichen Sorge für beide Eltern ist sicherlich eine davon. Auch wir sind der Ansicht, dass nur eine gemeinsam gelebte elterliche Verantwortung den Kindern wirklich dient, ein blosses Mitspracherecht ohne tatsächlicher Mitwirkung sehen auch wir als bedenklich an. Dennoch darf nicht ausser Acht gelassen werden, worum es beim Sorgerecht tatsächlich geht. Es geht beileibe nicht um alltägliche Entscheidungen sondern im wesentliche Entscheidungen im Leben des Kindes. Dass bei solchen Entscheidungen ein zweiter Elternteil womöglich korrektiv eingreift und eine gegenteilige Haltung einnimmt, führt unserer Ansicht nach dazu, dass bei solchen Entscheidungen die Interessen des Kindes besser gewahrt werden, weil die Kontroverse zu Diskussionen und Kompromissen führt. Aus unserer Sicht gehört zur Umsetzung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung auch die flächendeckende Einführung der angeordneten Mediation. Nur durch solche flankierenden Massnahmen ist es langfristig möglich, den Eltern in Trennung zu helfen, die Elternebene zu bewahren und den Dialog über die minimalen Bedürfnisse des Kindes aufrecht zu erhalten. In diesem Sinne herzlichen Dank Frau Schenker, für Ihre offene und moderne Haltung in dieser Frage. |