Nachstehend veröffentlichen wir einen offenen Brief einer Frau an Frau Nationalrätin Jacqueline Fehr.

Sehr geehrte Frau Fehr,
An der Fachtagung vom 23. Februar 2011 in Solothurn zum Gemeinsamen Sorgerecht haben Sie zu uns gesprochen mit einem Input unter dem Titel „Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“.

Frau Fehr, Sie erwähnten dass Sie sehr lange gebraucht haben um verstehen zu  können,  um was es den hier engagierten Männern geht. Wäre es eventuell möglich dass noch mehr Zeit benötigt wird um den wirklichen Kern der Problematik zu begreifen?

Ich erlaube mir aus Ihrem Beitrag zu zitieren:
Mehr Symbol als Engagement
Nun hat das Sorgerecht über die konkreten Kompetenzen hinaus vor allem eine stark symbolische Bedeutung. Offenbar fällt es insbesondere den Vätern schwerer, ihre Rolle zu finden, wenn sie das Sorgerecht nicht haben. Diese enge Verbindung zwischen diesem rechtlichen Rahmen und der persönlichen Rolle ist für die meisten Frauen schwer nachvollziehbar und fremd. Ich jedenfalls habe sehr lange gebraucht, bis ich verstanden habe, um was es den hier engagierten Männern geht, und weshalb sich beispielsweise der Betreuungsanteil zwischen Männern mit und ohne Sorgerecht nur unwesentlich unterscheidet. Es geht nicht in erster Linie um das konkrete Engagement, sondern um die Position. Die Studie, die uns heute Morgen von Linus Cantieni präsentiert wurde, zeigt dies ziemlich klar. Das gemeinsame Sorgerecht wirkt sich vor allem auf die Zufriedenheit aus und weit weniger auf das konkrete Engagement der Väter. Mit anderen Worten. Die meisten Väter wollen das gemeinsame Sorgerecht nicht, weil sie die Kinder mehr betreuen wollen, sondern weil sie das geteilte Sorgerecht als Zurücksetzung und hierarchische Unterordnung empfinden. Das geteilte Sorgerecht wird als Niederlage, als Demütigung und als Zurückstufung erlebt. Der Vater hat von sich den Eindruck, dass er der Mutter nicht mehr auf Augenhöhe begegnen kann. All diese Gefühle sind negativ und beeinträchtigen die nacheheliche Familiensituation und das Wohlbefinden der Kinder.

Frau Fehr , in der Studie von Linus Cantieni kam heraus, dass 75 % der Väter ohne Sorgerecht eine Änderung wünschen! Sie möchten Geschichtenerzähler, Tröster, Welterklärer, Pflästerliaufkleber, liebevoller Vater unter der Woche sein und vieles mehr! Sie wollen nicht mehr nur Zahlvater und Besuchsvater sein. Und nun kommen Sie und behaupten, dass genau diese Väter ein Problem mit dem Wertgefühl und der Rollenverteilung haben? Es ginge nicht um das Engagement  sondern um die Position? Diese Väter erleben das geteilte Sorgerecht als Niederlage,  Demütigung und als Zurückstufung?
Sie haben wirklich lange gebraucht um wenig zu verstehen.

Frau Fehr, in ihrem Input vom Mittwoch habe ich mich über Ihren Scheuklappenblick gefragt – wie können sie die Augen fast ganz verschliessen und als Vizepräsidentin der Pro Familia Schweiz so eine Politik betreiben? Ich bin entsetzt und fassungslos – ich wünsche Ihnen, dass Sie sich niemals in der Lage befinden werden, wo Ihnen die die wichtigsten Personen in Ihrem Leben entfremdet werden.

Sie reden von Kindeswohl, von dem was „das Beste fürs Kind ist“. Frau Fehr, auch da haben Sie nichts verstanden. Das Beste für‘s Kind ist Vater UND Mutter – zu beiden Teilen, zu gerechten Teilen, zu gleichen Bedingungen, zu denselben Pflichten und Rechten.

Ich lade Sie ein auf mich zuzukommen und ich zeige Ihnen „unsere“ Welt, die Welt der Väter, die Sie als Männer ohne Wertgefühl, bloss auf Hierarchie pochend, beschreiben.Ich mache Sie gerne mit Männern und Frauen bekannt, die verstanden haben was der unglückliche Begriff „Kindeswohl“ tatsächlich bedeutet, und die verstanden haben, dass Geschlechterkämpfe in unserem Alltag für Niemanden von Nutzen sind…

 

Mit freundlichen Grüssen
Brigitte Helfenstein
VeV Schweiz
Mutter mit 50 % Sorgerecht
Lehrerin, emanzipiert und verantwortungsvoll erziehend.